Ein eigener Rückzugsort für Mädchen

Schutzraum für weibliche Personen an der IGH eröffnet – Bürgermeisterin Jansen: „Schon an den Schulen mit Aufklärung beginnen“ (Von Marie Böhm)

Jede Stunde werden hierzulande im Schnitt etwas mehr als 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Beinahe jeden Tag versucht ein Partner oder Expartner, eine Frau zu töten. Gewalt an Frauen und Mädchen ist auch in Deutschland ein gravierendes Problem – und sie findet in allen sozialen Schichten statt. Im Jahr 2022 wurden laut Bundesregierung insgesamt 240 000 Fälle von häuslicher Gewalt angezeigt.

Um dagegen etwas zu tun, braucht es mehr Präventionsarbeit, finden Gwendolin Wolf und Christine Brantzen. Sie sind Gleichstellungsbeauftragte an der Internationalen Gesamtschule Heidelberg (IGH). Gemeinsam mit dem Zonta- Club Heidelberg, der Bürgermeisterin Stefanie Jansen und dem Schulleiter Hr. Dr. Roland Maier eröffneten sie mit dem „Mädchenraum“ nun den ersten Schutzraum für Mädchen und junge Frauen an einer Heidelberger Schule. Anlass war der Aktionstag gegen Gewalt an Frauen.

„Im letzten Jahr haben wir uns intensiv mit dem Thema Prävention befasst“, erzählt Gwendolin Wolf: „Dabei wurde klar, dass so ein Raum hier gebraucht wird.“ Die Idee hatte es an der Schule schon einmal gegeben, der Zweck des Zimmers ging aber über die Jahre verloren. Nun war es an der Zeit, den Raum wiederzubeleben. Mit tatkräftiger Mithilfe aus der Schülerschaft, von Elternbeirat und Förderverein der IGH entstand im letzten halben Jahr ein neuer Rückzugsort für Mädchen und Frauen.

„Das ist etwas Besonderes“, sagte Bürgermeisterin Jansen. Sie rief den Schülerinnen und Schülern in der vollbesetzten Aula der IGH zu: „Es ist gut, wenn ihr laut seid, denn wir müssen unsere Stimme gegen Gewalt an Frauen und Mädchen erheben.“ Gewalt entstehe häufig aus Abhängigkeit, und es sei wichtig, den Anfängen zu wehren. „Und deshalb ist es ein starkes Signal, schon an den Schulen mit Aufklärung zum Thema zu beginnen.“
Das Mädchenzimmer soll künftig sowohl ein Rückzugsort für die Gespräche des Frauennotrufs Heidelberg sein sowie für die Aktionen der Mädchen- und Frauen AG der IGH. Die Gesamtleitung und Koordination der Veranstaltung liegen in den Händen der Verantwortlichen für die Präventionsarbeit, der Präventionsbeauftragten Christine Brantzen. „Uns

hat es besonders gefreut, dass sich nicht nur die Mädchen und jungen Frauen, sondern ebenso die Jungen und jungen Männer an unserer Schule mit großem Engagement an diesem Projekt beteiligt haben. Das Thema der Geschlechtergerechtigkeit betrifft die folgende Generation in gleichem Maße – was den jungen Menschen durchaus bewusst ist“, fasst sie zusammen. „Wir betreiben an unserer Schule, in der Schülerinnen und Schüler mit ganz unterschiedlichem Hintergrund gemeinsam lernen, umfassende Aufklärung zum Thema Geschlechterrollen. Das Mädchenzimmer ist ein Puzzleteil davon“, ergänzt Schulleiter Roland Maier.

Auch die Schülerinnen und Schüler der IGH freuten sich über die Einweihung des „Mädchenraumes“. „Gewalt hat hier keinen Platz – egal gegen wen“, so Faraz Kaeni. „Da an unserer Schule so viele Kulturen vertreten sind, versuchen wir immer, gemeinsame Werte zu finden und unser Schulleben friedlich zu gestalten.“ Kaenis Klasse kreierte anlässlich des Aktionstages ein großes Wandbild in dem Raum, das drei Frauenfiguren in Silhouette vor einer Diversitätsflagge zeigt. Umgeben ist das Gemälde von einer orangenen Umrahmung, farblich passend zu den „Orange Days“, im Rahmen derer jedes Jahr gegen Gewalt an Frauen protestiert wird.

Andere Jugendliche formten anlässlich der Eröffnung des „Mädchenraumes“ Frauenkörper aus Ton, inspiriert von der ältesten Frauenfigur der Menschheit, der Venus vom Hohlefels. Und wieder andere organisierten einen Kuchenverkauf, von dessen Erlösen ein Teil der noch geplanten Einrichtung des Raumes finanziert werden soll. Spenden für die Ausstattung des Raumes sammelt auch der Zonta-Club Heidelberg. Dieser setzt sich seit Jahrzehnten für die Rechte und den Schutz von Frauen und Mädchen ein.

Bildinformation: Das Mädchenzimmer soll ein Rückzugsort für die Gespräche des Frauennotrufs sein sowie für die Aktionen der Mädchen- und Frauen AG der IGH. Bürgermeisterin Stefanie Jansen (hinten, 4.v.l.) und der Zonta-Club kamen zur Eröffnung. Foto: zg

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