Gruppenfoto AGAPLESION KooperationWenn unsere Bewohner aus ihrem Leben erzählen, wird Geschichte lebendig.

Das erfuhren auch die Schüler der Projektwoche „Damals und heute“ in der Internationalen Gesamtschule Heidelberg. Diese liegt direkt gegenüber dem Haus AGAPLESION MARIA VON GRAIMBERG und ist durch zahlreiche ehrenamtliche Einsätze der Schülerinnen und Schüler mit dem Pflegeheim gut vernetzt. Zwei Bewohnerinnen besuchten eine siebte Klasse. Eine angenehme, konzentrierte Ruhe herrscht in der Klasse, wenn Gerlinde Scholz (79) und Melitta Vatasanu (93) sprechen. Die beiden Lehrer Jessica Lorenz und Thomas Schwenk müssen nicht eingreifen. Die Schüler der siebten Klasse hören gespannt, was die beiden Damen sagen. Die Schüler interpretieren die Geschichte künstlerisch und spannen einen Bogen, der alt und modern im Kontrast zeigt. Ihre Bilder stellen sie in der Schule beim Tag der offenen Tür und später im Haus AGAPLESION MARIA VON GRAIMBERG aus.

Melitta Vatasanu zeichnet selbst sehr gut. Ein paar Handstriche mit einem Bleistift, den ein Schüler ihr reicht, und eine Figur ist fertig. Ein bisschen aufgeregt packen die Schüler ihre Arbeiten aus. Mit großem Interesse schauen sich die Seniorinnen die Werke an. Ein Gespräch beginnt, die Frauen erzählen von früher, als sie noch so jung wie die Schüler heute waren. Das waren zwei ganz andere Leben. Zwei bemerkenswerte Lebensläufe. Zwei Leben, die man so schnell nicht vergisst.

Melitta Vatasanu ist aufgewachsen in einem wohlhabenden Elternhaus in einer Großstadt in Rumänien. Später studierte sie in Wien Mode, Textil und Moderne Malerei. Kurz vor dem Abschluss begann der Krieg, und ihr Leben änderte sich radikal. Beruflich und privat lebte sie ihr großes Talent weiter: bei einem Schreiner, in einer Keramikwerkstatt, als Bauzeichnerin, sie entwarf Operettenkostüme und malte Bilder, mit denen eine Freundin Häuser in Amerika dekorierte. „Ich habe so gut wie keine Fotos meiner Arbeiten“, sagt Melitta Vatasanu. „Das ist sehr schmerzlich.“ Gerlinde Scholz kommt aus einem kleinen Dorf im Sudetenland, heute Tschechien. Sie sprach egerländisch, eine nordböhmische Mundart der deutschen Sprache. Sie war zehn Jahre alt, als die Familie vertrieben wurde. Eine entbehrungsreiche Zeit, unvergessen: Als Flüchtlinge im Lager untergebracht, dann bei einem Bauern in Bayern. „Die Menschen nannten uns Rucksackdeutsche“, sagt Gerlinde Scholz. „Wir mussten dafür kämpfen, dass wir auch wer sind.“ Später die Arbeit in einer Gewürzwarenhandlung, in einem Haushalt, in einem schweizerischen Spital, Hilfs- und Reinigungsarbeiten; die Heirat, die Kinder, die Mietwohnung, schöne Stunden im Heidelberger Schrebergarten.

Die Projektwoche ist nicht die einzige Kooperation zwischen der Gesamtschule und dem Pflegeheim: Schüler lesen den Bewohnern vor, laden zu Spaziergängen ein, spielen Brett- und Kartenspiele. Beliebt sind gemeinsame Feste wie der Martinsmarkt. „Das Netzwerk bereichert unseren Alltag“, sagt Birgit Webster, Leiterin der Sozialen Betreuung. „Es ist für alle schön, dass wir eine so gute Nachbarschaft haben.“