Mittel Iunia1Auf der Grundlage eines bereits existierenden Theaterstückes über Weihnachten studierte die Klasse 5.1, angeleitet von ihren Theater- und Musiklehrern Jan Körber und Yannick Niedworok sowie mit Unterstützung des Theaterpraktikanten "Paco“, Student an der Pädagogischen Hochschule, und Petra Kirsch, die in der Theaterwerkstatt gerade ihre Ausbildung zur Theaterpädagogin absolviert, ihr kreatives eigenes Weihnachtstheaterstück „Die Weihnachtsumfrage“ ein.


Mittel Iunia2Die Idee war, der Klasse ein Gemeinschaftserlebnis der besonderen Art zu vermitteln. Für jede und jeden der 28 Schüler*innen gab es eine eigene Rolle, sei sie auch noch so klein. Manche Rollen wurden gedoppelt, andere komplett von den Theaterlehrern neu erfunden. Den Text zu einem Rap schrieben die Kinder mit Hilfe ihres Musiklehrers Yannick Niedworok selbst.
Requisiten und Bühnenbild gestaltete die Klasse ebenfalls, zum Teil neu, zum Teil durch Umfunktionieren von bereits Bestehendem aus dem Theaterfundus. Hierbei halfen an einem speziell dafür vorgesehenen Nachmittag auch engagierte Eltern mit.
Nach Kräften standen an den drei Probentagen und während der drei Aufführungen am 15.12.2022 die Hausmeister der IGH sowie die Technik-AG von Musiklehrer Tilman Bracher und Christian Hoffmann-Hoß mit ihren fünf erfahrenen Schüler*innen plus ihrem „Nachwuchspersonal“, den Azubis in Sachen Technikeinsatz, zur Seite.
Mittel Iunia3„Endlich ohne Corona-Auflagen“, freut sich Lehrer Jan Körber, „endlich ein Gefühl der Freiheit und endlich mehr Publikum!“ Es ist toll für die Kinder, wieder zusammen singen und spielen zu können, ohne eine Schutzmaske tragen zu müssen.
Doch worum geht es im Theaterstück der Theater-Klasse 5.1? Und weshalb ist es so krass? Krass gut natürlich...

Mittel Iunia4Erste Szene: Der Weihnachtsmann, ein Engel, das Christkind in Person und viele gestresste und mit Einkaufstüten voll bepackte Fußgänger stürmen die Bühne und rennen durch die Gegend. Fast fühlt man sich wie in der echten Heidelberger Hauptstraße. Die mit Lichterketten behängten Läden mit Spiel- und Backwaren, Blumen und Pizza rufen sofort weihnachtliche Stimmung hervor. Ab und an halten alle auf der Bühne inne und teilen dem Publikum einen Gedankenfetzen mit: „Weihnachten bedeutet für uns...“ Ja, was? „Die schönste Zeit des Jahres“, „die schlimmste Zeit des Jahres“, „das Fest der Liebe“, „ganz viel Arbeit“, „Geschenke, Geschenke und noch mehr Geschenke“ oder auch „Stress, Stress und nochmal Stress“.
Mittel Iunia5Zweite Szene: Straßenmusiker spielen Weihnachtslieder in der Fußgängerzone. „Feliz navidad“, singen sie aus vollem Hals. Sie spielen wild auf ihrer Ukulele, einem Minipiano, einer E-Gitarre und einem Cajon, voller Begeisterung. Das Publikum applaudiert und schwingt mit. Doch das Berührende an der Szene ist, dass in ihrer Nähe Obdachlose liegen, die sich in ihren Decken eingehüllt ein warmes Plätzchen gerichtet haben. Sie erfreuen sich an der Straßenmusik und sind zugleich diejenigen, die als erste und eigentlich auch einzige an diesem Tag eine Münze für die Weihnachtsmusik übrig haben.
Mittel Iunia6Dritte Szene: Zwei schwedische Studenten arbeiten auf den letzten 100 Metern vor Weihnachten an ihrer Abschlussarbeit über die Deutschen und ihr Weihnachtsfest. Dafür befragen sie Passanten und möchten von ihnen erfahren, was diese mit Weihnachten verbinden. Manche lieben das Fest, andere hassen es, manche nervt das „Jingle- Bells-Gedudel“, wiederum andere freuen sich auf die Weihnachtsgans schon das ganze Jahr vor. Geschäftsleute rechnen sich ihre guten Umsätze aus und sind überzeugt, „wenn es Weihnachten nicht gäbe, müsste es erfunden werden“, während sich Weihnachten für den befragten Engel sogar als die Grundlage seiner bloßen Existenz entpuppt. Auch die Obdachlosen sind noch auf der Bühne und werden befragt: Ihnen ist der Sommer lieber. Für sie bringt der Winter Frostbeulen mit, das trübt die Stimmung.

Mittel Iunia7Die kinderreiche Familie, die die Bühne lärmend überquert, sorgt für Halligalli im Publikum. Die beiden älteren Kinder spritzen mit ihren Wasserpistolen das Publikum nass. Alle schreien und quietschen, die Eltern auf der Bühne jedoch erleben waschechten Stress, so wie ihn echte Eltern auch manchmal haben. Für eine Umfrage haben sie unter den ungünstigen Bedingungen wenig Muße.
Doch das können zwei coole Skater kompensieren, die sich darüber wundern, dass die schwedischen Studenten so kurz vor Weihnachten noch echte Arbeit auf sich nehmen. „Chillt doch mal! Immer schön locker bleiben... Chillige Nacht, heilige Nacht!“, rufen sie den beiden Studenten zu. Und schließlich dann noch hinterher: „Ihr seht so lost aus! Das klingt nach Arbeit, das ist nicht unser Style!“ Da staunt der gesittete Zuschauer über das kolloquiale Vokabular, muss jedoch in seinem tiefsten Inneren zugeben, dass es ihm irgendwie vertraut vorkommt. Ein turnerischer Höhepunkt krönt die Szene, die einer der beiden Skater mit einem echten Überschlag beendet, wofür er sofort anerkennenden Applaus aus dem Publikum erntet.
Die vierte Szene stellt den musikalischen Höhepunkt des unterhaltsamen Theaterstückes dar. Alle Schüler*innen singen einen selbst gedichteten Rap und tanzen dazu auf der Bühne. Die Zuschauer sind außer sich, denn der Text und die Moves machen richtig etwas her. In diesem Rap geht es nicht nur um Märchenhaftes, um gute Düfte, Gebäck und Weihnachtsbäume, sondern auch um ernste und traurige Themen: um Konsumkritik, um die Einsamkeit einer Mutter, deren Tochter sich weit weg in Amerika aufhält und um Geiz, Gier und die Flut von teuren Einkäufen, „die falsche Heiterkeit“ und „die dumme Weihnachtszeit“. Der Refrain spiegelt alle Widersprüche der Weihnachtszeit wieder. Dort heißt es:
„Weihnachten! Macht euch bereit,
Für diese krasse Zeit,
Liebe, Trauer, Freude, Glück
Arbeit und Gemütlichkeit...“
Die Lehrer geben im Hintergrund mit weit schwingenden Armen den Rhythmus vor, damit man sie auf der Bühne von Weitem sieht. Dort rappt der Weihnachtsmann jedoch unbekümmert vor sich hin und der

Mittel Iunia8Engel scheint eine Tanzausbildung in Hip-Hop absolviert zu haben, die ihm gebietet, alles haargenau doppelt so schnell hinzubekommen, rhythmisch passend und dennoch etwas anspruchsvoller.
Realistisch gespielte, jedoch symbolisch aufgeladene weitere Szenen fangen ein, wie hingebungsvoll das Mädchen Julia ihr Mountainbike verkauft, um ein Surf-Segel für ihren Freund Romeo zu kaufen, der wiederum selbst sein Surfbrett feilbietet, um ihr einen neuen Mountainbike-Helm zu schenken, und wie der herum streifende Pseudo-Weihnachtsmann beim Klauen auf dem Weihnachtsmarkt erwischt wird und den Engeln, die ihn stellen, seinen Sack voll erbeuteter Portemonnaies abgeben muss.
Doch all das mündet erneut in Musik. Die Straßenmusiker haben nun mehr Glück und der Engel bringt eine leuchtende Kerze, die echte Wärme spendet und weihnachtliche, besinnliche Atmosphäre verbreitet. Er wünscht „Fröhliche Weihnachten allen und Frieden auf Erden!“
Spätestens jetzt geht es jedem so, wie Lehrer Jan Körber bei der Vorstellung des Stückes erhofft hatte: „Es wäre schön, wenn ihr nach dem Stück mehr Weihnachtsgefühle hättet als vor dem Stück!“ Mission accomplished.


Text: Iunia Ionescu

Fotos: Dana Rosiger